Binnenschiffer auf KVB Sjouwer vom 8.03. – 14.03.2017

 

Seit Jahren träumte ich von einer Mitfahrgelegenheit auf einem Frachter. Dies nach Möglichkeit auf einem uns bekannten Gewässer. Zum Glück träumte ich scheinbar nicht immer lautlos, sodass mich Astrid zu meinem letzten Geburtstag mit einer solchen Reise überraschte.

Nun ist es also soweit. Schon mehrere Monate war Astrid mit dem Reisevermittler der KVB Sjouwer per Mail in Kontakt und bis 5 Tage vor meiner Abreise wusste ich weder von wann bis wann ich reisen werde noch wo ich an Bord gehen sollte.

 

Am Samstag, 4. März 2017 kam dann der lang ersehnte Anruf von Kapitän und Eigner Folkert Jan Semplonius mit der Frage, ob ich bereits am Montag, 6. März 2017 in Mannheim an Bord kommen wolle. Die Sjouwer fahre mit Containern zu Tal. Leider hatte ich für diesen Montag noch geschäftliche Termine und so haben wir uns geeinigt, dass ich am Mittwoch, den 8. März 2017 in Antwerpen „anheuern“ werde.

Das fängt ja schon gut an: Da ich bis am Dienstag um 16.00 Uhr noch nichts gehört habe, erkundigte ich mich mal, wie/wo/wann ich nun in Antwerpen sein sollte. „Antwerpen? – wir sind noch immer in Mannheim und kommen frühestens heute Nacht um 01.00 Uhr sicher jedoch gegen 04.00 Uhr weg.“

Wir einigten uns, dass ich mich nun sofort in Richtung der Sjouwer aufmachte.  Mit dem Auto bin ich also am 7. März 2017 von zu Hause in Richtung Norden losgefahren und nach einer knapp vierstündigen Fahrt in Mannheim eingetroffen.

Die Beladearbeiten waren noch voll im Gange und sollten scheinbar nicht vor 01.00 Uhr fertig sein. Nach einer kurzen aber herzlichen Begrüssung durch Kapitän Folkert, seiner Frau Riny und dem Steuermann Peter haben wir meinen Defender per schiffseigenem Kran auf das Achterdeck neben die zwei bereits abgestellten Fahrzeuge gestellt. Anschliessend wurde mein Gepäck in die Kajüte verfrachtet und ich erhielt eine kurze Führung durch den top eingerichteten Wohnbereich, die Eignerwohnung mit mehreren Zimmern sowie die übrigen Wohn- und Esszimmer, Dusche mit Waschmaschine und Tumbler und separater Toilette. Um 21.30 Uhr verabschiedete sich Folkert, damit er bis zur Abfahrt um 04.00 Uhr noch etwas schlafen konnte. Auch ich wollte um 04.00 Uhr aufstehen und ging kurz nach 22.00 Uhr zu Bett.

Am Mittwoch, 8.03.2017 um 00.15 Uhr hiess es dann bereits Leinen los. Der Back (vorderer Teil des Schubverbandes)  wurde angekoppelt und mit 4 Drahtseilen fest verbunden. Dann ging es aus dem Neckar in den Rhein und zu Tale in Richtung Antwerpen. Dies natürlich ohne mich auf der Brücke, da ich in meiner Koje perfekt geschlafen habe. Um 06.00 Uhr bin ich dann aber bereits auf der Brücke erschienen, welche nicht wie gestern Abend durch eine Lucke aus der Wohnung bestiegen werden konnte, sondern über das Achterdeck und die Leiter erklommen werden musste. Das Führerhaus kann bis auf 10 Meter ab Deck hochgefahren werden, damit auch bei einer hohen Ladung wie Container die Sicht über das ganze Schiff samt Fahrgebiet gewährleistet bleibt. Nach der Durchfahrt durch die Loreley, welche ich schon mehrmals mit dem eigenen Schiff durchfahren habe, fragte mit der Kapitän, ob ich auch mal fahren wolle. Diese Chance wollte ich mir natürlich nicht entgehen lassen und so fuhr ich bereits am ersten Tag über 100 Kilometer mit dem KVB Sjouwer bis nach Köln. Ein echt tolles Erlebnis, ein „richtiges Schiff“ manövriert zu haben. Den Abend verbrachten wir wieder im Führerhaus bei einer dunklen und regnerischen Stimmung.

Am Donnerstag, 9.03.2017 bin ich kurz vor 6 Uhr erwacht, weil die Sjouwer an Fahrt verloren hat. Die erste Schleuse, bei Nacht und dickem Nebel, stand vor uns. Die „Volkeraksluis“ ist mit 3 Kammern von rund 326 Metern Länge und je 24 Metern Breite die meistbefahrene Schleuse Europas. Folkert manövrierte das Schiff mit Hilfe der Funkverbindung zu den zwei Matrosen und den Aussenkameras ohne jegliche Probleme in die Kammer, in welcher noch fünf weitere Frachter mitgeschleust wurden. Alleine der Funkverkehr mit den Matrosen war ein Erlebnis und erinnerte mehr an eine Sportmoderation als an ein Schleusenmanöver. Gratuliere – die Typen haben ihr Schiff im Griff.

Unmittelbar nach der zweiten  Schleuse „Kreekraksluis“ haben wir den Schubverband festgemacht und es sind 2 Elektriker an Bord gekommen, welche ein schon seit ein paar Tagen vorhandenes Problem repariert haben. Es mussten immer zwei Generatoren (Hauptschiff und Back) laufen gelassen werden. Jetzt surrt nur noch einer und alles ist wieder bestens. Da die Arbeiten aber nicht abgeschlossen werden konnten, haben wir kurzerhand das Auto der Monteure aufgeladen und sie konnten während der Fahrt bis nach Antwerpen ihre Arbeit fertig machen. Folkert hat ihnen dabei tatkräftig geholfen. Wir alle Unbeteiligten waren echt froh, dass das Schiff noch gestartet werden konnte.

Im Hafen Antwerpen, welcher gemäss eigenen Angaben der Hafen mit den meisten Containerumschlägen Europas ist, konnten wir an einem Dock einen leeren Container abladen, welcher zur Reparatur musste. Um zu unserem nächsten Dock zu kommen, mussten wir durch die Seeschleuse, welche uns zwei Stunden warten liess. Während dieser Wartezeit wurde der Back abgekoppelt und längs festgemacht. Somit waren mit 23 Metern doppelt so breit. Dann standen wir wieder an einem Dock, bei welchem 30 Container entladen werden sollten. Dies geschah auch nach rund 3 weiteren Stunden Wartezeit. Der weitere Abladeplan wurde umgestellt, sodass wir nach einem weiteren Dock wieder durch die Seeschleuse in den inneren Teil des Hafens  mussten, Container abladen, durch die Seeschleuse nach draussen und nochmals ein paar Container entladen und wenige zuladen, welche nach Rotterdam mussten.

Am Freitag, 10.03.2017 erwachte ich erst um ca. 6.30 Uhr, weil es verdächtig ruhig war. Peter hat nachts noch 3 Docks angefahren und ist anschliessend wieder durch die Seeschleuse in den Innenhafen gefahren, wo er die Sjouwer um 03.00 Uhr festgemacht, resp. durch die Matrosen  festmachen lassen hat. Hier mussten wir nun warten, bis wir dann endlich um ca. 10.00 Uhr ein paar Container entladen und andere zuladen konnten.

Beim Frühstück informierte uns der Steuermann Peter, dass er auf Grund gesundheitlicher Probleme seiner Mutter sofort nach Hause müsse. Kurzerhand wurde während des Schleusenmanövers sein Auto abgeladen und er brauste davon.  Den ganzen Tag verbrachten wir im Hafen Antwerpen mit umlegen des Schiffes von Dock zu Dock und immer wieder wurden Container ausgewechselt. Mehrmals änderte Folkert das Programm, welches den Standort der einzelnen Container definiert. Musste doch der neue Abladeort aber auch die optimale Gewichtsverteilung innerhalb des Schiffes berücksichtigt werden. Die Anzeige im Steuerhaus zeigt die Neigung des Schiffes in cm präzise an und notfalls könnte sogar Wasser in spezielle Tanks gepumpt werden, um eine zu starke Neigung auszugleichen.

Die Wartezeit am Nachmittag nutzen wir zu einer ausführlichen Besichtigung des Schiffes. Angefangen bei der hochmodernen Steueranlage, dem Maschinenraum mit den zwei Mitsubishi 16 V Motoren von je 1’700 PS, den drei  Bugstrahlrudern Scania V8 mit zweimal 550 PS und einmal 650 PS bis hin zu der Einrichtung der Koppelung des Schiffes mit der Back. Auch die drei Generatoren, welche abwechslungsweise zum Einsatz kommen, sind in einem einwandfreien Zustand anzutreffen. Die 4 ½ – Zimmer Bugwohnung der Matrosen samt Küche, Wohnzimmer und Bad/WC weisen denselben Komfort wie die Eignerwohnung aus.

Um 21.30 Uhr hiess es dann (endlich) Leinen los und wir starteten unsere Nachfahrt durch den Hafen Antwerpen in Richtung Rotterdam. Da der Wegfall von Peter unplanmässig stattgefunden hat und Folkert dadurch nicht vorschlafen konnte, habe ich ihn durch die Nacht begleitet. Sehr viel konnte ich über das wirklich interessante Schifferleben und die Probleme eines Frachtschiffeigners erfahren, welches  in keiner Weise mit den Freuden und Leiden der Hobbyschiffer vergleichbar ist, zu welchen wir uns auch zählen. Das wirklich gute Gespräch dauerte bis 3.00 Uhr. Um diese Zeit stiess Peter bei der Schleuse „Volkeraksluis“ wieder zu uns und nach kurzem Verlad seines Wagens verabschiedete ich mich und ging auch zu Bett. Die Weiterfahrt übernahm Peter, da er am Abend doch ein paar Stunden vorschlafen konnte.

Nachdem ich das Schiff durch den ganzen Hafen von Rotterdam steuern durfte lief der Samstag, 11.03.2017 in etwa gleich ab, wie die bisherigen Tage in Antwerpen. Von Dock zu Dock mit den scheinbar üblichen Wartezeiten. Alleine die einzelnen Wege waren um einiges länger, sodass wir doch immer wieder eine geraume Zeit fahren konnten. Die einzelnen Anlegemanöver forderten die Mannschaft, welche diese Aufgaben sehr gut bewältigt hat. Auch der Back musste wieder längs geholt werden, was auch immer ein Erlebnis darstellt.

„Willkommen in der Schifffahrt“. Mit diesen Worten empfing mich Folkert, nachdem ich mein Mittagsnickerchen gemacht hatte. Wir können erst am Montag die restlichen Container zuladen. Somit gibt es wieder 2 Tage Wartezeit in Rotterdam zu überbrücken. Schon plante ich meine Rückfahrt mit dem Auto ab Rotterdam, da ich nicht 2 Tage nur rumsitzen wollte. Eine halbe Stunde später dann der neue Plan, respektive Ablauf.

Mit Planung kann das ja kaum etwas zu tun haben :-).  Wir laden noch einen Container an einem neuen Dock und dann geht’s los, in Richtung Mannheim. Spätestens morgen bekommen wir Bescheid, ob allenfalls in Duisburg noch etwas zugeladen werden muss. Bei schönstem Sonnenuntergang verliessen wird den Hafen Rotterdam und fuhren wieder in die dunkle Nacht. Dann wieder ein Anruf – Duisburg fällt weg….  Ja, so abwechslungsreich ist das Schifferleben. Dieser Ablauf sei  bei Containerfrachten mehr oder weniger üblich und Folkert war über den Ablauf sogar erfreut, da doch immer etwas lief. Ich gehe davon aus, dass die Stunden der täglichen Umstellungen einfach unter weiteren Unkosten abgebucht werden ;-). In Dordrecht haben wir um 22.00 Uhr noch rund 24’000 Liter Diesel gebunkert, was in etwa dem Verbrauch unserer Route entspricht.

Am Sonntag, 12.03.2017 erschien ich erst gegen 07.00 Uhr auf der Brücke, auf welcher Folkert schon wieder um 03.00 Uhr das Steuer von Peter übernommen hat. Wir schipperten den ganzen Tag bei relativ hohem Wasserstand und entsprechender Strömung auf dem Rhein zu Berg  in Richtung Duisburg. Dort ist Peter nun endgültig ausgestiegen, da es zu Hause seine Unterstützung brauchte. Dafür ist der neue Kapitän Joris an Bord gekommen, welcher uns für den Rest der Reise begleitete. Auch heute konnte ich die Sjouwer wieder über 5 Stunden selber durch den regen Verkehr steuern. Es ist erstaunlich, wie das doch schwere Schiff (aktuell ca. 1’400 Tonnen) anfällig auf Strömung und Wind reagiert. Diese Einflüsse galt es speziell bei den vielen Überholmanövern zu beachten. Auch nutzte ich den vorhandenen Radar sowie das AIS, welches jedes Schiff auf der Karte mit Namen, Länge, Breite und Geschwindigkeit anzeigt. So konnten wir in etwa abschätzen, wie lange die einzelnen Überholmanöver dauerten. Trotzdem war zwischendurch eine kleine Korrektur oder  ein Hinweis von Folkert sehr hilfreich für mich. Danke für die „Fahrschule“……… man lernt nie aus.

Als ob wir dies bestellt hätten, ging bei der Durchfahrt von Düsseldorf gerade der Mond auf und ermöglichte das eine oder andere tolle Foto.

 

 

 

Am Montag, 13.03.2017 schipperten wir weiter den Rhein hinauf, was bei diesem Wasserstand mit entsprechender Vorsicht vor sich ging. Die Strömung muss jederzeit überwacht werden. Wieder konnte ich während mehrerer Stunden den Schubverband lenken und war erstaunt, welche Streckenkenntnisse dem Kapitän zu Hilfe kommen können. „Da etwas mehr Backbord – oder da etwas näher zur Steuerbordtonne“. Mit diesen Infos lotste mich Folkert durch die teilweise engen Kurven, obwohl ich keinerlei Hindernis erkennen konnte. Bin ich doch mit dem eigenen Schiff diese Strecke schon mehrmals zu Tale gefahren.

 

Die ganze Mannschaft sass gemütlich im Steuerhaus, ich lenkte wieder das Schiff, als auf einmal ein Alarm vom Armaturenbrett die angeregte Diskussion unterbricht. Habe ich was übersehen, war mein erster Gedanke. Nein, der Backbord Motor scheint ein Ölproblem zu haben, welchem sich Folkert sofort annimmt. Er eilt in den Motorraum und informiert bei der Rückkehr die Matrosen Rio und Edwin, dass sie nach dem Kaffee 20 Liter Öl nachfüllen (richtig, nach- und nicht auffüllen). Dazu wurde der Motor im Standgas etwas abgekühlt und anschliessend ganz ausgeschaltet. Während dieses ganzen Manövers fuhren wir mit nur einem Motor weiter durch die Brücken von Koblenz.

Bei schönstem Wetter fuhren wir, für mich das erste Mal, die Loreley zu Berge. Die ganze Gegend sieht von dieser Seite, unserem hohen Sitzpunkt (Führerhaus stand wieder oben) und der durch den Wasserstand bedingten niedrigen Geschwindigkeit ganz anders aus. Ich konnte diese Strecke draussen an der warmen Sonne geniessen, während die Matrosen das Schiff von Bug bis Heck sauber gewaschen haben. Nach Rüdesheim ist dann langsam wieder die Nacht über uns hereingebrochen und wir genossen die weitere Fahrt durch Mainz auf dem Rhein. Wieder begleitet uns der Mond und lässt uns die Fahrt richtig geniessen.

Am Dienstag, 14.03.2017 sind wir um 03.00  Uhr in Mannheim eingetroffen, wo alle Container entladen werden. Nach dem Entladen des Autos, was auf Grund der am Quai festgemachten Schiffe wieder Millimeterarbeit für Folkert bedeutete, bin ich schon bald in Richtung „nach Hause“ gefahren. Die Sjouwer wird immer wieder beladen und entladen werden und hoffentlich noch viele tolle und unfallfreie Fahrten machen können. Schiff Ahoi !!

Ich habe diese Woche auf dem KVB Sjouwer in aller Form geniessen können. Erstens habe ich eine super Crew angetroffen, das Wetter hat, abgesehen vom ersten Tag mit Regen, sehr gut mitgespielt und das Schiff hat mich in jeglicher Hinsicht überzeugt. Das (Zusammen-) Leben auf einem Binnenschiff ist sicherlich eine grosse Herausforderung aller Beteiligten, welche durch Folkert und seine Crew bestens bewältigt wird.

Vielen Dank an Astrid (Sponsor), Folkert und Riny (Eigner), Peter und Joris (Steuermänner), Rio und Edwin (Matrosen) für eine unvergessliche Woche als Binnenschiffer. D A N K E !!

4 Antworten zu "Binnenschiffer auf KVB Sjouwer vom 8.03. – 14.03.2017"

  1. Metka Jaeger sagt:

    Andrej, Kompliment zu deinem Bericht, sogar fuer Nichtschiffer herrlich zu lesen!

  2. Regina Ramseyer sagt:

    Toller Bericht einer aussergewöhnlichen Reise – DANKE Andrej! Animiert zur Nachahmung….

  3. Rico Francioni sagt:

    Hallo Andrej
    Jetzt kann ich mich so richtig freuen. Morgen Abend werden wir (mein Bruder und ich) ebenfalls in Mannheim auf die KVB Sjouwer zusteigen.
    Superbericht Danke und herzliche Grüsse
    Rico Francioni

  4. Rudolf Brand sagt:

    Hallo und vielen Dank für diesen interessanten Bericht. Könntet Ihr mir mal die Kotaktdaten/Tel.
    etc. geben. Ich möchte gerne mit Ihm mal Kontakt aufnehmen und evtl. auch eine Reise von Mannheim aus mitmachen. Wohne in der Nähe und war in meiner Jugend in der Binnenschifffahrt tätig. Will es mal wieder erleben und mir die neue Technik ansehen.

Antwort zu Rico Francioni